Hallo Leute!
Ich will das mal technisch erklären, warum die Konstruktion so ist wie sie ist weil kein Posting dies bis dato beleuchtete.
Also der kleine Sattel ist wirlich für die Handbremse. Und zwar ist es ein Faustsattel mit mechanischem Antrieb.
Beim R8 ist an der Hinterachse als Betriebsbremse eine Festsattelbremsanlage mit schwimmend gelagerten Bremsscheiben verbaut.
Warum hat Audi das gemacht?
Ganz einfach: Die Festsattelkonstruktion hat den großen Vorteil, dass sie eine extrem steife Variante einer Bremsanlage darstellt. Der Festsattel ist sehr massiv gebaut und damit hinichtlich der Elastizitäten relativ immun gegen die hohen hydraulischen Drücke (bis zu 180 bar) und die daraus resultierenden Bremskräfte. Das Ergebnis ist ein extrem präzises, straffes und steifes Pedal- und Bremsgefühl.
Da nun aber der Sattel fest am Radlagergehäuse angebaut ist und nicht in Querrichtung verschieblich, muss die Scheibe entsprechend gelagert sein. Und das macht man mittels einer schwimmenden Lagerung der Bremsscheibe. Sie ist über kleine Stifte axialverschieblich aufgebaut und damit können thermische Ausdehnungen, Schwingungen und andere Querkräfte axial ausgeglichen werden. Weiterhin verbleibt der Topf permanent im Fahrzeug und man tauscht lediglich die eigentliche Scheibe aus.
Festsättel haben aber auch Nachteile. Zum Beispiel sind sie groß, schwer und extrem teuer in der Produktion. Weiterhin geht immer ein Bremsflüssigkeitskanal von der Innen- zur Außenseite im Sattel über der Bremsscheibe entlang. Da aber leider die für den Sattel kritische Hauptkonvektions- und Strahlungsrichtung der Bremsscheibenwärme in radialer Richtung nach außen liegt, wird hier die Bremsflüssigkeit immer schön gekocht. Es ist nicht so, dass das unlösbar wäre, aber es ist eine Randbedingung, die wie viele andere auch bei dieser speziellen Konstruktion zu berücksichtigen ist!
Nach den Zulassungsbedingungen muss jedes Fahrzeug über eine redunante Notbremsanlage verfügen, die auch gleichzeitig als Feststellbremsanlage verwendet werden kann.
Die angesprochene Trommelbremse in der Scheibenbremse hinten wird so bei keinem VW/Audi-Fahrzeug verbaut, schon gar nicht bei den Colette-I/II-Faustsätteln. Bei diesen Sätteln wird die Handbremse über einen Gewindebolzen in dem eigentlichen Bremskolben entweder durch einen Bowdenzug oder elektrisch betätigt und wirkt über die normalen Beläge auf die Scheibe direkt! Der Gewindebolzen bewirkt dabei, dass sich der Verschleiß der Bremsenkomponenten immer wieder auch beim mechanischen Handbremsteil auskorrigiert. Daher können bei der Erneuerung von Scheibe und/oder Belägen die Kolben nicht einfach zurückgedrückt sondern müssen zurückgeschraubt werden. Durch dieses Verfahren wirkt die Bremse aber immer beidseitig der Scheibe, weil die eigentliche Betätigung über den normalen Kolben erfolgt!
Wie will ich so eine Konstruktion mit einem Festsattel realisieren? Ich müsste ja dann in den Festsattel eine Konstruktion einbringen, die analog zum Faustsattel den Kolben betätigt. Aber alle Kolben zu betätigen wäre sehr aufwendig. Genau wirkte die Bremse dann ja auch nur auf eine Seite. ich müsste die Mechanik also auch noch auf die andere Seite herüberbringen. Dies ist VIEL ZU AUFWENDIG und teuer in der Konstruktion. Also macht man sowas nicht.
Alternativ böte sich die Lösung mit der Trommel in der Scheibe an. Allerdings würde hier dann das Problem sein, dass der Topf, der die Scheibe hält und der eigentlich nie verschleißt, dann auch verschleißen würde und getauscht werden müsste. Das spart man sich so und die Konstruktion im Radlagergehäuse mit der Antriebwelle und den Komponenten kann dann wesentlich einfacher erfolgen.
Hine hydraulische Handbremse, die einfach auf die Betriebsbremse hinten wirkt, wäre aus den gleichen Gründen wie bei der Gewindebolzenlösung unpraktikabel, weil die redunante Bremsanlage unabhängig von der ersten arbeiten muss. Man müsste einen extra Kolben mit einem extra Hydraulikzugang in den Sattel integrieren was aufgrund der Platzverhältnisse wieder unverhältnismäßig aufwendig ist. Weiterhin müsste dieser auch wieder herum auf die Außenseite geführt werden und auch dort ein Kolben vorhanden sein. Was soll das werden? 3 Kolben pro Seite für die Betriebsbremse und einen für die Not-/Feststellbremse? Total unpraktikabel!
So ist die gefundene Lösung, einen kleinen rein mechanisch betätigten Faustsattel nur für Not- und Handbremse zu machen, genau richtig hinsichtlich der Kosten, der Resultate und des Aufwands.
Noch eine Bemerkung zur Wirkung der Handbremse. Sicherlich könnte bei angezogener Handbremse mit der vorhandenen Antriebsleistung diese überfahren werden. Aber erstens würde sich der R8 mit allen Lampen und Summern gegen eine solche Vergewaltigung wehren und zweitens ist es nicht die Aufgabe einer Handbremse, ein mit vollem Anfahrmoment beaufschlagtes Fahrzeug zu halten. Es gibt gesetzliche Vorschriften, was eine Handbremse können muss und das alles erfült die Bremse garantiert. Diese muss das Auto vollbeladen an bestimmten Steigungen noch halten können und als redunante Notbremse gewisse Mindestverzögerungen erreichen. Die sind aber so gering, dass man auch die Türen öffnen und mit den Fußsohlen bremsen könnte.
Die Anlage im R8 ist schon raffiniert und kosnequent gelöst, auch hinsichtlich der Kosten!
Viele Grüße,
Matthias